Fälschungen und Nachahmungen
Es gibt kaum ein Gebiet, das zu Fälschungen so verlockt, wie das der Schmuck- und Edelsteine. Bei dem hohen Wert mancher Steine ist das sehr gewinnbringend. Plinius, ein römischer Schriftsteller aus dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, berichtet, daß schon in alten Zeiten das Fälschen von Schmucksteinen im Schwange war, er gibt an, daß einzelne Autoren das Verfahren dieser Fälschungen ausführlich beschrieben haben.
Er gibt auch Anweisungen, um die echten Steine von den unechten unterscheiden zu lernen. So macht er darauf aufmerksam, daß die echten Steine, wenn man sie in den Mund nimmt, sich im Gegensatz zu den Fälschungen kalt anfühlen (vergl. S. 47), daß die Oberfläche der Fälschungen anders beschaffen sei als die der echten Steine und daß man im Innern der Glasflüsse bei genauem Zusehen kleine Luftbläschen beobachten könne.
Er erwähnt nicht nur Nachahmungen aus Glas, sondern auch Fälschungen durch Zusammenkitten verschiedener echter Steine. Er spricht ferner vom Täuschen durch Unterlegen und Untermalen, wodurch nicht etwa nur der Glanz und das Feuer der Steine gehoben werden solle, sondern aus farblosen Steinen wie Bergkristall farbige, wie z. B. Beryll, hergestellt würden.
Er berichtet auch, daß damals schon, wie es ja heute noch der Fall ist, die Inder Meister in der Kunst des Fälschens gewesen seien. Auch im Mittelalter wurde tüchtig gefälscht. Wer sich davon überzeugen will, braucht nur einmal ‘die alten Kirchenschätze und in unseren Museen die Kunstgeräte aus jener Zeit auf die Echtheit ihrer Schmucksteine zu prüfen, er wird über die Menge der unechten Steine erstaunt sein, selbst bei Goldschmiedearbeiten von hohem Kunstwert.
Das Hauptfälschungsmaterial war auch im Mittelalter das Glas. Ferner sieht man die Nachahmung farbiger Steine durch Unterlegung des Bergkristalls mit farbigen Folien sehr häufig angewendet. Die Nachahmungen des Mittelalters sind meist recht plump ausgeführt und leicht nachzuweisen.
Die Fortschritte, die die Technik unserer Zeit auf allen Gebieten gemacht hat, kommt auch auf dem Gebiete der Schmucksteinfälschungen zur Geltung, sie sind heute viel täuschender ausgeführt als früher, und man bedient sich aller Hilfsmittel der Wissenschaft wie der Technik, um die Nachahmungen der Schmucksteine den echten Steinen so ähnlich wie möglich zu machen.
Tatsächlich muß man, um die Fälschung nachweisen zu können, nicht selten sehr sorgfältige Untersuchungen ausführen. Die Fälschungen der Schmucksteine sind aber nicht nur viel täuschender, sondern sie werden auch viel zahlreicher ausgeführt als früher. Während man im Mittelalter nur die seltensten und kostbarsten Steine nachahmte, gibt es heute kaum einen Stein, sei er auch noch so billig, der nicht noch billiger nachgeahmt wird.
Die Nachahmung der durchsichtigen Steine geschieht in Straß, einem Bleiglas, das seinen Namen nach einem Wiener namens Strasser führt, der sehr viel zu der Vervollkommnung dieses Glasflusses beigetragen hat. Früher bezeichnete man ähnliches Glas als Mainzer Fluß. In ganz reinem Zustande ist der Straß farblos, von hoher Lichtbrechung und von ausgezeichnetem Glanz. Auch hat er eine so starke Farbenstreuung, daß man ihn zur Nachahmung des Diamanten benutzt. Solche Brillantnachahmungen werden als Simili bezeichnet.
Eine besondere Art sind diejenigen, deren Glasfluß Thallium (ein seltenes Element) zugesetzt wurde und die an Feuer und Schönheit mit den feinsten Diamanten wetteifern können. In Beziehung auf ihre Härte sind sie aber nicht hervorragend, denn diese beträgt höchstens 5, bei einzelnen Schmelzen sogar noch weniger.
Wegen der geringen Härte werden die Similidiamanten ebenso wie die noch zu besprechenden übrigen Glasnachahmungen an den Kanten und Ecken beim Tragen bald stumpf und auf den polierten Flächen blind. Setzt man dem Straß in der Schmelze verschiedene Metalloxyde zu, so erhält man Gläser in den Farben der verschiedensten Edelsteine.
Man nennt solche farbigen Glasflüsse Glaspasten oder Amausen, sie werden nicht nur aus dem immerhin noch mit Sorgfalt zusammengesetzten Straß, sondern auch in großer Menge aus minderwertigem Glas hergestellt. Da man besondere Maschinen gebaut hat, auf denen man solchen „Glassieinen!” wie sie im Handel genannt werden, gleichzeitig zu Hunderten die gewünschte Schleifform und Politur geben kann, sind sie zu so billigen Preisen herzustellen, daß auch der billigste echte Stein in bezug auf den Preis nicht mit ihnen konkurrieren kann, da er nicht mit Maschinen, sondern nur durch Handarbeit geschliffen werden kann.
In neuerer Zeit hat man die Glasflüsse dadurch „analysenfest” zu machen gesucht, daß man ihnen ganz bestimmte chemische Stoffe zugesetzt hat, z. B. den Smaragdnachahmungen Berylliumerde. Zur Herstellung der Nachahmungen undurchsichtiger Schmucksteine benutzt man neben allerlei besonders zusammengesetzten Glasflüssen Porzellan, Zelluloid, Galalith (ein aus Käseeiweiß hergestellter Stoff, der sich leicht färben und leicht bearbeiten läßt), Steinnuß, Knochen, Elfenbein und andere.
Auch die schon von den Römern geübte Fälscherkunst, durch Aufeinanderkitten von Steinen den Käufer zu täuschen, ist in unserer Zeit zu einer hohen Vollkommenheit gelangt. Man stellt nicht nur aus zwei dünnen Steinen einen dickeren her, z. B. einen Brillant durch Aufeinanderkitten von Ober- und Unterteil aus dünnen Diamantstücken, sondern man hat außerdem verschiedene noch gewinnbringendere Täuschungsmittel erfunden.
Allgemein bezeichnet man Schmucksteine, die aus zwei oder mehr Stücken so geschickt zusammengesetzt sind, daß man das Aufeinanderkitten nicht sieht, als Dubletten. Solche Dubletten macht man heute nur noch zur Nachahmung und Verfälschung durchsichtiger Steine, während man im Altertum auch die mehrlagigen Onyxsteine, aus denen die Gemmen geschnitten wurden, durch
Aufeinanderkitten von zwei verschiedenen Steinen nachahmte. Eine bekannte Art der Dubletten ist die, bei der für das Oberteil ein wertvollerer Stein genommen wird als für das Unterteil, z. B. kann das Oberteil einer Brillantdublette echter Diamant sein, während das
Unterteil aus weißem Saphir, Zirkon usw. besteht. Sind solche Dubletten gefaßt, so ist der Schwindel sehr schwer zu entdecken; an ungefaßten Steinen kann man ihn dagegen leicht nachweisen. Auch kommt es vor, daß das Oberteil aus echtem Stein, das Unterteil dagegen aus Glas besteht, und man versteht es sogar, dem echten Oberteile das Glas des Unterteils anzuschmelzen, so daß man die beiden Teile überhaupt nicht mehr voneinander trennen kann.
Farbige Steine werden durch Dubletten entweder in der Weise nachgeahmt und verfälscht, daß das Oberteil tatsächlich aus dem Steine besteht, den das Ganze vorstellen soll, während das Unterteil durch farbiges Glas gebildet wird, oder indem man zu dem Oberteil eine dünne Platte aus Bergkristall verwendet, durch die die Farbe des Unterteils hindurchleuchtet.
Auch legt man zwischen Ober- und Unterteil farbige Blättchen aus echtem Stein oder Glas. Für Dubletten, die aus einem echten Oberteil und einem unechten Unterteil bestehen, wendet man im Handel den Namen Mixte an. Eine sehr verbreitete Art der Fälschung beruht darauf, daß einem wertvollen Stein ein ähnlich aussehender, minderwertiger Stein einer anderen Art untergeschoben wird, so dem Diamant farbloser Zirkon, Korund oder Edeltopas, dem Rubin Spinell oder Turmalin, dem Edeltopas Citrin usw.
Diese Art der Fälschung ist natürlich nur dadurch möglich, daß nicht nur die Käufer, sondern leider auch sehr häufig die Verkäufer nicht imstande sind, die verschiedenen Steinarten voneinander zu unterscheiden. Eine sehr zu beachtende Unterstützung finden die unlauteren Bestrebungen zur Verwendung von Fälschungen, Nachahmungen und Unterschiebungen durch die Unsicherheit und Willkür, die im Handel in Beziehung auf die B e n e n n u n g e n der Schmucksteine herrscht.
Auf S. 459 sind die den Steinen wirklich zukommenden und die zum Teil sehr verwirrenden und irreführenden Handelsnamen in einer Liste zusammengestellt. Man sieht aus dieser Liste, welcher Wirrwarr in der Benennung der Schmuck- und Edelsteine herrscht. Er ist so groß, daß sich viele Fachleute nicht mehr darin zurechtzufinden wissen und daß der Käufer erst recht nicht wissen kann, was für ein Stein unter dem und jenem Namen zu verstehen ist.
Die Ursachen dieses sehr unerfreulichen Zustandes sind mehrfacher Art. Liest man in alten Schriften, die von Schmuck- und Edelsteinen handeln, so merkt man bald, daß früher die einzelnen Steinarten nur nach ihrer Farbe benannt wurden. Bei Plinius werden fast alle grünen Steine zum Smaragd gerechnet. Er zähltine Reihe verschiedener Diamantarten usw. auf und alle, die später kritiklos von ihm abgeschrieben haben, haben die alten Verwechslungen und Zusammenfassungen von ihm mitübernommen.
Auch im Mittelalter war es in mancher Beziehung nicht viel besser, von einer streng wissenschaftlichen Unterscheidung der Schmucksteine in unserem Sinne war keine Rede, und wenn auch die Benennungen einzelner Steine schärfer gefaßt wurden als bei Plinius, so war doch auch zu jener Zeit noch an keine genaue Untescheidung der einzelnen Steinarten zu denken.
So wurde unter dem Namen Karfunkelstein (Carbunculus) ein Stein verstanden, dessen leuchtend rote Farbe sich mit einer glühenden Kohle vergleichen ließ, und man unterschied nicht, ob man einen Rubin, einen Spinell oder einen Granat vor sich hatte; alle gelben Steine wurden als Topas bezeichnet usw.
Zwar merkte man natürlich auch schon in früheren Zeiten, daß die Steine der gleichen Farbe sich in ihren Eigenschaften doch nicht völlig glichen, und man suchte durch besondere Beinamen gewisse Unterschiede festzulegen. Aus diesem Bestreben entstanden Benennungen wie Edeltopas, schottischer Topas, Balasrubin usw. vor allem die Anwendung des Wortes orientalisch für diejenigen Steine, denen man eine bessere Qualität und damit einen höheren Wert zuerkennen wollte. (1 )
Diese Bezeichnung als orientalische Steine wurde dann auch angewandt, wenn es sich um Steine handelte, die nicht aus dem Orient, sondern aus dem Ural, aus Ungarn oder, wie es nach der Entdeckung von Amerika sehr häufig war, aus Südamerika stammten. Eine Reihe von Handelsbenennungen wurde auch zu dem Zweck eingeführt, um dem kaufenden Publikum den Stein als etwas Besseres und Wertvolleres erscheinen zu lassen als er in Wirklichkeit ist, z. B. der Name Kaprubin für einen Granat, brasilianischer Rubin für einen roten Turmalin, spanischer Topas für einen gelbbraunen Quarz usw.
Ober den Mißbrauch, der mit dem Namen Phantasiesteine im Handel getrieben wird, vergl. S. 308, 331, 350, 352, 368.